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Die Ostsee ist ein intrakontinentales Brackwasserrandmeer.
Sie ist über die sogenannte Beltsee mit der Nordsee verbunden. An die
Beltsee schließt sich östlich die eigentliche Ostsee mit ihren tiefen Becken
an. Wesentliche Unterschiede zur Nordsee sind die nahezu fehlenden Gezeiten,
ein von Westen nach Osten stetig abnehmender Salzgehalt und die Temperatur-
und Salzgehaltsschichtung in der Wassersäule. Die westliche Ostsee, zu der
die mecklenburg-vorpommerschen Küstengewässer gehören, wird als
Übergangsgebiet zwischen Nord- und Ostsee angesehen. Sie zeichnet sich durch
eine hohe zeitliche und räumliche Variabilität der physikalischen und
chemischen Parameter aus, deren Ursachen vor allem in den hydrodynamischen
Besonderheiten liegen. Ausgleichsströmungen zwischen Nord- und Ostsee, d. h.
der bodennahe Einstrom salzreichen Wassers und der oberflächennahe Ausstrom
salzärmeren Wassers, der permanente Zustrom von Flusswasser aus dem
Ostseeeinzugsgebiet und die vertikale Salzgehaltsschichtung in den tieferen
Bereichen der Ostsee haben ein außerordentlich variables Faktorengefüge zur
Folge. Diese abiotischen Bedingungen bestimmen maßgeblich die rezente Tier-
und Pflanzenbesiedlung der Ostsee.
Die Küste Mecklenburg-Vorpommerns hat eine Länge von insgesamt 1.712 km. Davon nehmen vor allem die reich gegliederten Bodden und Haffe im vorpommerschen Küstengebiet mit einer Küstenlänge von 1.358 km einen bedeutenden Teil ein.
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Nach deutschem Wasserrecht (Wasserhaushaltsgesetz v. 31.7.2009) gibt es zwei Definitionen von Küstengewässern: 1. „Küstengewässer: (sind) das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder zwischen der seewärtigen Begrenzung der oberirdischen Gewässer und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres; die seewärtige Begrenzung von oberirdischen Gewässern, die nicht Binnenwasserstraßen des Bundes sind, richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften“ (§ 3 Nr. 2 WHG). Die seewärtige Begrenzung des Küstenmeeres entspricht der Hoheitsgrenze Deutschlands; jenseits dieser Grenze beginnt die Hohe See. Die Richtlinie 2000/60/EG hingegen versteht unter Küstengewässer etwas teilweise Anderes: Nach ihr ist Küstengewässer im Grundsatz nur derjenige Teil des Küstenmeeres, der sich zwischen der Küstenlinie und einer Linie erstreckt, die eine Seemeile seewärts der Basislinie verläuft (Artikel 2 Nummer 7 der Richtlinie 2000/60/EG). Daraus wurde die 2. Definition von Küstengewässern abgeleitet: „Bei Küstengewässern gilt dies für die Flächen auf der landwärtigen Seite einer Linie, auf der sich jeder Punkt eine Seemeile seewärts vom nächsten Punkt der Basislinie befindet, von der aus die Breite der Hoheitsgewässer gemessen wird, mindestens bis zur äußeren Grenze der Gewässer, die im Wesentlichen von Süßwasserströmungen beeinflusst sind“ (§ 7 Abs. 5 Satz 2 WHG).
Wesentlich für die Festlegung des Küstengewässers nach Richtlinie ist die Basislinie. Den Verlauf der Basislinie bestimmen Regeln des Völkergewohnheitsrechtes. Danach können Staaten ihre zur seewärtigen Begrenzung von Küstenmeer-, Fischerei- und Wirtschaftszonen dienenden Basislinien im Wesentlichen nach zwei Verfahren festlegen: Die normale Basislinie entspricht der Niedrigwasserlinie entlang der Küste; bei den geringen Gezeiten an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns kann man diese Niedrigwasserlinie näherungsweise mit der obengenannten Küstenlinie gleichsetzen. Bei Küsten, die tiefe Einschnitte und Einbuchtungen aufweisen oder vor denen sich in unmittelbarer Nähe Inseln erstrecken, besteht ferner die Möglichkeit, sogenannte gerade Basislinien festzulegen. Dazu werden Basispunkte an der Küste bestimmt, zwischen denen gerade Verbindungslinien gezogen werden. An der mecklenburgischen Küste folgt die Basislinie als normale Basislinie weitgehend der Küstenlinie. An den vorpommerschen Bodden, Haffen und Inseln hat dagegen Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gerade Basislinien über Meeresflächen hinweg auszuweisen. So verbinden gerade Basislinien den Darßer Ort mit dem Dornbusch auf Hiddensee, den Dornbusch mit Wittow/Rügen, Wittow mit Jasmund, Jasmund mit dem Nordperd am Mönchgut und so fort bis nach Usedom.
Die Wasserflächen, die sich zwischen der Küstenlinie und einer Linie erstrecken, die eine Seemeile vor der so bezeichneten Basislinie verläuft (Einmeilenzone), versteht nun also die Richtlinie 2000/60/EG grundsätzlich als Küstengewässer. Für diese Küstengewässer gilt das Bewirtschaftungsziel des guten ökologischen und des guten chemischen Zustandes. Darüber hinaus betrachtet die Richtlinie 2000/60/EG aber auch - ausnahmsweise, wie es in Artikel 2 Nummer 1 heißt - die übrigen Wasserflächen zwischen Einmeilenzone und Hoheitsgrenze als Küstengewässer, soweit es um den ausschließlich chemischen Zustand geht.
Es sind demnach drei Küstengewässerbereiche zu unterscheiden:
Die Küstengewässer nach den beiden letztgenannten Punkten sind in der Summe flächenmäßig mit dem Küstengewässer nach dem ersten Punkt identisch.
Da der chemische Zustand nach Wasserrahmenrichtlinie nicht gewässertypspezifisch definiert wird, ist eine Typisierung der Küstengewässer außerhalb der Einmeilenzone (also der Küstengewässer nach dem obengenannten Punkt 3) nicht erforderlich. Typisiert werden nur die Küstengewässer nach Punkt 2, die zwischen der Küstenlinie und einer Linie eine Seemeile vor der Basislinie liegen und für die neben Anforderungen des chemischen Zustandes Anforderungen eines typspezifisch zu definierenden ökologischen Zustandes gelten. Zu dem allgemeinen Zweck einer Gewässertypologie sei auf die Ausführungen in den Kapiteln "Bestandsaufnahme >> Allgemeines" und "Fließgewässertypologie" verwiesen.
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Begriff des Küstengewässers | ||||||||||||||
Die Typisierung der Küstengewässer Mecklenburg-Vorpommerns
erfolgt nach System B des Anhanges II Nummer 1.1 und 1.2.4 der Richtlinie
2000/60/EG. Dafür sind ausgewählte obligatorische und optionale
physikalisch/chemische Faktoren heranzuziehen, die die Eigenschaften des
Küstengewässers und damit die Struktur und Zusammensetzung der Biozönose
bestimmen. Die Faktoren sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Neben den obligatorischen Faktoren wurden für die Typisierung folgende optionale Faktoren herangezogen: Wellenexposition, Durchmischungseigenschaften, Rückhaltedauer und durchschnittliche Substratzusammensetzung. Basierend auf der Brackwassernomenklatur von CASPERS (1959) legten die Bundesländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bereits im Jahr 2002 einen Entwurf für eine Typologie der deutschen Ostseeküstengewässer vor (WEBER et al. 2002). Er unterscheidet an der deutschen Ostseeküste vier Haupttypen und sechs Untertypen, die durch den Salzgehalt abgegrenzt werden:
Beruhend auf dem gemeinsamen Vorschlag der deutschen Küstenländer wurden die inneren Küstengewässer an der deutschen Ostseeküste einheitlich der Gewässerkategorie Küstengewässer zugewiesen, da in ihnen eine windgetriebene Strömungsdynamik überwiegt, wie sie typisch für die Kategorie Küstengewässer ist. Übergangsgewässer werden nicht ausgewiesen. Übergangsgewässer im Sinne des Artikels 2 Nummer 6 der Richtlinie 2000/60/EG setzen eine wesentliche Beeinflussung durch Süßwasserströmungen voraus.
Nach dem Grad der Wellenexposition wird zwischen inneren und äußeren Küstengewässern unterschieden. Unter Wellenexposition versteht man die hydrodynamische Beanspruchung durch den mittleren jährlichen Eintrag an Seegangsenergie an einem bestimmten Küstenabschnitt. Die Klassifizierung der Wellenexposition erfolgt an Hand der Einteilung von BIOMAR (GOSSELCK et al. 2003). Innere Küstengewässer sind gekennzeichnet durch eine geringe Wellenexposition und die Ausbildung geschützter Buchten. Äußere Küstengewässer weisen eine mäßige bis deutliche Wellenexposition auf.
In den äußeren Küstengewässern erfolgt zusätzlich die Unterscheidung nach Durchmischungseigenschaften entsprechend dem Auftreten oder Fehlen einer saisonalen Sprungschicht. Während die Wassersäule der flachen inneren Küstengewässer in der Regel durch Wind und Strömungen von der Oberfläche bis zum Gewässergrund voll durchmischt, d. h. umgewälzt wird, tritt in den äußeren Küstengewässern eine saisonale Sprungschicht auf, die diese vollständige Durchmischung bis zum Gewässergrund verhindert. Sie tritt jedoch nur saisonal in den Sommermonaten in den tieferen Bereichen der Lübecker und Mecklenburger Bucht in Erscheinung. Infolge der Salzgehalts- und Temperaturunterschiede bildet sich durch den vertikalen Dichtegradienten in der Wassersäule eine sogenannte. thermohaline Sprungschicht heraus. Diese zeitweise sehr prägnante Sprungschicht isoliert das oberflächennahe vom grundnahen Wasser und behindert so den vertikalen Wasseraustausch. Gewässer mit saisonaler Sprungschicht sind an der mecklenburg-vorpommerschen Küste innerhalb des Einseemeilenbereichs jedoch nicht vorhanden.
Die Rückhaltedauer wird über den Wasseraustausch beschrieben, der als "gering", "mäßig bis gut", "sehr gut" oder aber "saisonal gering" klassifiziert wird. Die Rückhaltedauer ist eine Größe des Wasserhaushalts und beschreibt die vollständige Wassererneuerung eines Küstengewässerabschnittes in einer bestimmten Zeiteinheit. Je nach Wassergewinn und Wasserverlust durch Flusswasserzufuhr, Ostseewassereinstrom und Ausstrom kann diese Tage, Wochen und Monate dauern.
Eine weitere Differenzierung erfolgt über die durchschnittliche Substratzusammensetzung. Hinter dem Begriff Substratzusammensetzung verbirgt sich der mengenmäßige Anteil der verschiedenen Sedimentarten am Meeresgrund. Diese Sedimentarten werden an Hand unterschiedlicher Korngrößen klassifiziert. So trifft man z. B. Sand, Kies, Till, Mischsedimente und Schlick als Substrat an. Till ist ein Sediment, das durch oder von Gletschereis transportiert und später abgelagert wurde. Dabei trat keine oder nur wenig Sortierung des Materials auf. Der Begriff fasst die in der deutschen Nomenklatur traditionell verwendeten petrographischen Terme "Geschiebemergel" und "Geschiebelehm" zusammen, die einem kalkhaltigen und einem entkalkten Till entsprechen.
Der Typologieentwurf wurde durch zwei Forschungsvorhaben mit den Themen
"Gemeinsame Charakterisierung der deutschen Nord- und Ostsee-Küstengewässer
vor dem Hintergrund internationaler Vereinbarungen - Teil B Ostsee" (GOSSELCK
et al. 2003) sowie "Entwicklung von leitbildorientierten
Bewertungsgrundlagen für innere Küstengewässer der deutschen Ostseeküste
nach der EU-WRRL - ELBO" (SCHUBERT et al. 2003) überprüft und einer
biozönotischen Validierung unterzogen. Im Wesentlichen wurde der Entwurf
durch die Forschungsergebnisse bestätigt. Nach dem Einfließen der Ergebnisse
aus den Forschungsvorhaben konnte die endgültige Typologie im Jahr 2004
fertiggestellt werden. Die folgende
Karte
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Küstengewässer-typologie | ||||||||||||||
Im Folgenden sei auf weiterführende Literatur und Projekte
zu dem Thema Küstengewässertypologie verwiesen:
CASPERS, H. (1959): Vorschläge einer Brackwassernomenklatur. Internat. Rev. Ges. Hydrobiol. 44 (2): 313-315.
GOSSELCK, F., BÖNSCH, R., BROSDA, K., HÜBNER, J., MEIßNER, K., SORDYL, H. (2003): Gemeinsame Charakterisierung der deutschen Nord- und Ostsee-Küstengewässer vor dem Hintergrund internationaler Vereinbarungen - Teil B Ostsee. Unveröff. Forschungsbericht zum BMBF-Projekt (Förderkennzeichen: 0330041), 1-50.
SCHUBERT, H., BLÜMEL, C., EGGERT, A., RIELING, T., SCHUBERT, M., SELIG, U., BAHNWART, M., BAUER, S., DOMIN, A., Krause, J. C. (2003): Entwicklung von leitbildorientierten Bewertungsgrundlagen für innere Küstengewässer der deutschen Ostseeküste nach der EU-WRRL. Analyse von Langzeitreihen des Phytoplanktons aus Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns im Hinblick auf die Erfordernisse der EU-WRRL. Unveröff. Forschungsbericht zum BMBF-Projekt ELBO (Förderkennzeichen: 0330014) sowie zum LUNG-Projekt Phytoplanktonanalyse, 1-166.
WEBER, M. V., REIMERS, H. C., VOß, J. (2002): Draft typology. German Sea Coast. Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (LUNG), Güstrow, Germany & Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein (LANU), Flintbek, Germany. Manuscript. In: SCHERNEWSKI, G. & M. WIELGAT (Editors) (2004): Baltic Sea Typology. Coastline Reports 4 (2004) (ISSN 0928-2734). |
Literatur zur Küstengewässer-typologie |
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